Leseprobe "Du bist schön!"

Aus Szene 1:


Alex:        (zu Martina) Was hast du jetzt eigentlich vor?
Martina:   Naja, ich habe es noch keinem gesagt, aber ich werde weiter machen.
               Ich mach noch Abi und dann will ich studieren.
Alex:       (überrascht, aber auch belustigt) Streber.
Martina:  Hey, ich will halt was aus meinem Leben was machen. Ich will Erfolg
               haben. Das geht nur, wenn man sich anstrengt.
Julia:       Oder schön ist. Ich habe schon ein paar Mal gemodelt. Dabei hat mich 
               neulich ein Agent angesprochen. Er sagte, ich habe Chancen. Ich wette,
               ich werde dadurch mehr verdienen als Du.
Martina:  Selbst wenn Du das schaffen solltest, in ein paar Jahren bist du 
               vergessen oder zu alt.
Alex:       Und dann landest Du auf dem Müll der Geschichte.
Julia:       Das werden wir ja sehen. Später kann ich immer noch einen Beruf
              lernen! Jetzt bin ich jung und jetzt will ich meine Chance nutzen.
Alex:      Schönheit ist doch eine variable Größe. Was der eine schön findet, stößt  
              den anderen ab. Ich mag z.B. keine Frau, die so dürre ist, dass man sich
              einen Splitter holt.
Julia:      Du meinst also, Schönheit an sich gibt es nicht? Das sehe ich anders.
Martina: „Schön“ ist nicht mehr als ein Adjektiv, bei dem es darauf ankommt was
             dahinter steht.
Alex:     (lacht) Schön blöd bist du.
Martina: … oder schön erfolgreich, schön reich, schön mächtig.
             (zählt an den Fingern auf)
Julia:     Nein, einfach nur schön gibt es auch.
Alex:     Sei doch mal ehrlich: 20 Jahre, dann kommen die Falten, dann ist es
             vorbei.
Julia:     Dann – wenn das Geld da ist – kommen Operationen. Ist doch
             heutzutage kein Problem mehr, etwas nachzuhelfen. Schaut euch
             Madonna an, wie die aussieht! Mit über 50 Jahren! Oder Heidi Klum.
Martina: Und zum Schluss siehst du aus wie ein Zombie, der nicht mal mehr
              lächeln kann. Und das alles, um andere mit Deiner Figur und Deinem
             Gesicht zu beeindrucken. Ne!
Alex:     Selbst in der Tierwelt geben sich die Tiere viel Mühe, um ihre Partner zu
             beeindrucken.
Martina: Aber nicht immer nur mit Schönheit. Auch mit Kraft oder mit Lautstärke.
Julia:      (versucht erfolglos zu Wort zu kommen) ähm …
Alex:      Ihr habt doch beide ne Klatsche. Schönheit, Erfolg im Leben - Ist das
             wirklich das Wichtigste? Mir ist das erst mal egal, wie ich auf andere
             wirke. Ich will niemand beeindrucken. Ich will mein Leben genießen, will
             was erleben.
Martina: Typisch Kerl. Ausruhen kann ich mich, wenn ich alt bin, aber jetzt heißt es
              erstmal Zähne zusammenbeißen und durch. Ich mach das ja für mich.
             Was willst du denn erleben ohne Geld? Wenn ich mal viel verdiene, dann
             mache ich Weltreisen, dann entdecke ich die Welt.
Alex:      Ich mach das schon jetzt. Nächste Woche starte ich nach Neuseeland
             mache da ein Jahr Au-pair und gleich anschließend, wenn ich 18 werde,
             Freiwilligendienst in Südamerika. Alles schon geplant.
Julia:     Naja, ich weiß nicht. Du als Kindermädchen? Und wann willst Du mal was
             Richtiges machen?
Alex:     Ich finde, das ist was Richtiges. Vielleicht wird man dadurch erwachsener
             als in der Schule...


Aus Szene 2:

...

Julia:           Deine Firma läuft also gut.
Martina:      Gut – das ist gar kein Ausdruck – das Business ist einfach absolut
                  awesome.
Alex:          Was machst du eigentlich so genau?
Martina:      Ich konzentriere mich vor allem auf All-in-one-Apps. Das machen
                  normalerweise nur Kerle, aber ich bin einfach besser, meine
                  Co-Worker nennen mich schon „The Queen of Innovation“. Außerdem
                  mach ich dann noch ein bisschen Account Management, aber das ist
                  sowieso schon Business as usual.
Julia:          Klingt ja … interessant. Aber weißt du, ich hol mir nur kostenlose Apps.
Martina:     Hasi, die kosten auch. Die werden nur über die Werbung bezahlt.
Julia:          Ach, das ist mir egal.
Martina:     Vom Big Game bleibt niemand verschont.
Alex:          Und mit was für Apps verdienst du so gut?
Martina:     Zeig ich Euch!
Martina holt ihr IPad raus und drückt zwei-, dreimal plötzlich geht auf Bühnen alles Licht aus – BLACK.)
Julia:         Huch, mach wieder an.   (Licht geht wieder an)
Alex:         Mit Licht ausknipsen verdienst du Geld – nicht schlecht.
Julia:         Auftragskiller machen das auch.
Martina:    Was?
Julia:         Na mit Lichtausknipsen Geld verdienen.
Martina:    (stöhnt, verdreht die Augen) Total funny.
Alex:         Na immerhin kann deine App das Licht auch wieder anmachen.
Julia:         Ja, das ist der Unterschied zum Auftragskiller.
Martina:    Naja, ich merke schon, das überfordert euch beide. Aber glaubt mir,
                 es läuft wirklich gut. Und je härter ich arbeite, desto besser wird es.
                Ich bin auf dem Weg in den digitalen Himmel. Steve Jobs war gestern,
                jetzt kommt Martina Reich!
Julia:        (irritiert) Steve wer? Na, hmm … Schön. Und was heißt das nun für 
                unsere Wette?
Alex:        Tja unser Zwischenstand scheint mir ziemlich unentschieden...


Zwischenspiel C3:

Regisseurin: (noch von hinten) Julie, komm mal mit hier rein. Das klären wir jetzt.
(Sie betritt gefolgt von Julia den Raum. Julia im Dirndl bleibt an der Tür stehen. Man sieht, dass sie fix und fertig ist.)
Regisseurin: Also Hase, jetzt mal Klartext. Es wird mir langsam zu viel mit dir.
Julia:           Aber Grit …
Regisseurin: Stopp, jetzt rede ich. Du bist dran, wenn du dran bist.
                   Deine schauspielerischen Leistungen waren ja noch nie der Hit.
                   Aber heute, das war einfach unter aller Sau!
                   Du bist nur noch hier, weil wir dich nicht so schnell wieder      
                   rausgeschrieben kriegen.
Julia:           Aber ich hab einen Vertrag.
Regisseurin: Ich scheiß auf deinen Vertrag. Wenn das so weiter geht, dann gibt es
                   in der nächsten Folge einen tödlichen Autounfall und du bist raus. Das
                   geht blitzschnell.
Julia:           Das kannst du nicht machen. Ich …
Regisseurin: Und ob ich das kann, Hasi. Ich habe keinen Bock mich täglich über
                   dein Herumgestümpere zu ärgern. Hast du mich verstanden?
Julia:           Ja, aber …
Regisseurin: Kein Aber. Entweder klappt das jetzt, oder das war‘s. Das bisschen
                   Text lernen, wirst du doch wohl hinbekommen. Ich hatte drei andere
                   Mädchen beim Vorsprechen, die haben fünf Mal so viel erzählt wie du
                   da vor der Kamera.
Julia:           Aber das geht doch nicht, wenn der Text eine halbe Stunde vorher
                   geändert wird. Ich wünschte …
Regisseurin: Wir sind hier aber nicht bei Wünsch-dir-was.
                   Wenn die Zuschauer nicht deinen hübschen Arsch sehen wollten,
                   wärst du schon längst weg. Merk dir das! So und jetzt raus mit dir. In
                   10 Min. bist du startklar.
                   Wir machen die Szene mit Willi dem Penner noch mal.
                   Und da zeigst du mal ein bisschen, was du so hast.
                   (deute das mit einer eindeutigen Bewegung an)
Julia:           10 Min.? – und wann soll ich den neuen Text lernen, wenn du mich
                   hier so zu textest?
Regisseurin: Sieh zu, dass du Land gewinnst. Und reiß dich zusammen!


Schluss:

...

Martina:      Es hat mich reich gemacht – an Erfahrung.
Alex:           Ja, ja Frau Reich.
Martina:      Das ist bei dir auch nicht anders, Alex.
Alex:           Und sind wir dadurch schöner geworden?
Julia und Martina (schauen sich an und sagen gleichzeitig): Ne.
Martina:      Wir haben uns wohl alle irgendwie verrannt.
Julia:           Ich habe immer die Rolle gespielt, die man von mir erwartet hat.
Alex:           Ich nicht, und es hat trotzdem nicht so richtig geklappt. Und jetzt 
                  klappern wir weiter.
Julia:          Ja, wie früher
(alle drei schauen zur Garderobe, an die all die Dinge aus ihrem Erlebten hängen. Sie betrachten die Dinge und sinnieren mehr für sich selbst)
Alex:          Mir tun die Füße weh vom vielen Suchen.
Julia:          Ich glaube, ich weiß selbst nicht, wer ich bin.
Martina:     Ich habe gedacht, ich weiß wer ich bin. Ich hab das wirklich geglaubt,
                 was ich von mir präsentiert habe.
(Alle schweigen, man merkt, wie es in ihnen arbeitet)
Martina:     (fast nur für sich) So ehrlich waren wir noch nie.
Julia:          Dann haben wir heute alles richtig gemacht.
Alex:          Okay, dann ist das also ein Reset für unsere Wette.